Stress und Burnout kommen selten vom Leistungsdruck. Die Ursache liegt tiefer

WARUM SIE DEN MENSCH NICHT VOM MITARBEITER TRENNEN SOLLTEN

„Chef, ich würde gerne ein Sabbatjahr nehmen.“

Vermutlich ist es Ihnen auch schon aufgefallen, dass die Zahl der Mitarbeiter, die für längere Zeit eine Auszeit nehmen, wegen Burnout ausfallen oder in immer kürzer werdenden Abständen krank werden, stetig steigt. Für Unternehmen wird das schnell zum Problem, weil sie den kurzfristigen Arbeitskräftemangel so schnell nicht auffangen können.

Anstatt am Symptom herumzudoktern, machen Sie sich lieber an der Ursache zu schaffen. Was die Ursache ist? Nun, Sie könnten sagen, dass der hohe Leistungsdruck und zu viel Arbeit Schuld am Arbeitsausfall sind. Aber das ist meiner Meinung nach nicht die eigentliche Ursache.

Sehnsucht nach Menschlichkeit

Wenn Sie tiefer bohren, wird Ihnen neben dem Leistungsdruck nämlich noch etwas auffallen: Mitarbeiter werden durch die Unternehmenskultur beinahe dazu gezwungen, reine Arbeiter zu sein, keine Menschen. Dass das auf Dauer nicht funktioniert, wissen Sie selbst.

Hinter dem (psychischen) Stress, der so manch einen Mitarbeiter in die Knie zwingt, steckt also nicht selten die Sehnsucht nach sozialen Räumen, in denen er sein kann, wie er ist. Doch weil das häufig viel zu kurz kommt und der einzige Anspruch der ist, dass die Belegschaft Leistung bringen soll, müssen sich die Mitarbeiter verbiegen und fühlen sich ausgebeutet. Private Probleme und Bedürfnisse? Bitte an der Pforte abgeben. Und wenn dann doch einmal eine Schwäche oder Wehklage zu Tage tritt, reagiert der Chef gereizt und die Kollegen sind genervt, weil sie selber genug mit sich selbst beschäftigt sind.

Nun ist es aber ein menschliches Bedürfnis, andere nicht leiden zu sehen. Das gilt für Kollegen untereinander wie für die Führungskraft, die abends mit gutem Gewissen ins Bett gehen möchte, dass es ihren Angestellten gut geht. Darum schaukelt sich die Misere immer weiter nach oben. Und ich bin davon überzeugt, dass nicht nur die Stimmung untereinander, sondern gerade auch die Ergebnisse besser wären, wenn sich die Mitarbeiter im Unternehmen gegenseitig auch persönlich wichtig wären.

Räume für mehr Verständnis

Das eröffnet die Frage: Wie bringen Sie mehr Menschlichkeit auf das Betriebsgelände? Die Lösung lautet: Eröffnen Sie Räume. Damit sind keine Kuschelecken wie im Kindergarten gemeint oder hippe Designerecken mit Tischkicker, in denen sich die Mitarbeiter dann mal geborgen fühlen können. Gemeint sind Räume, in denen sich Lagerist wie Führungskraft, Sachbearbeiter wie Top-Manager wirklich auf Augenhöhe begegnen. In denen Menschen auf Menschen treffen.

Ein Beispiel gefällig? Nehmen Sie einen Lageristen, der zu wenig verdient, um mit seinen Kindern in den Urlaub zu fahren. Wenn Räume in die Unternehmenskultur implementiert sind, dann kann er das im Unternehmen ansprechen. Eine solche Offenbarung berührt menschlich – weil das Gegenüber vielleicht selber Kinder hat und es sehr genießt, ihnen beim Plantschen im Meer zuzusehen. Anstatt dem Mitarbeiter also die Hölle heiß zu machen und ihm mürrisch zu erklären, dass mehr Gehalt nicht drin ist, entsteht nun zwischenmenschliches Verständnis. Und dies wiederum erlaubt es den Beteiligten, eine Lösung zu finden, die sich nicht auf Zahlen, sondern auf den Menschen konzentriert.

Wenn Sie einen solchen Raum im Unternehmen eröffnen, können alle Anwesenden ihre Bedürfnisse aussprechen, ohne dass sie etwas befürchten müssen. Damit meine ich also einen physischen Raum wie auch mentalen Raum, in dem sich alle ohne Rücksicht auf Hierarchien begegnen können – und das bitte regelmäßig und als Teil der Arbeit. Dies erfordert das Schaffen neuer Strukturen. Und zwar unter Einbindung neuer Meetingtechnologien wie zum Beispiel Open Space, Hypernetcafé oder Möglichkeitenteams.

Mehr rausholen

Wenn sie nämlich die Ebene wechseln – von der zahlenfixierten auf die menschenzentrierte Ebene –, dann wird das Unternehmen dem Mitarbeiter im obigen Beispiel infolge der Mitteilung vielleicht mehr Gehalt zahlen, selbst wenn dies den Gewinn des Unternehmens kurzfristig verringert. Was das dem Unternehmen bringen soll?

Da kann ich nur sagen: Es ist nicht menschlich, sich an den Zahlen zu orientieren. Im Unternehmen arbeiten nunmal Menschen. Und es gibt sogar Studien, die belegen, dass Unternehmen mit mehr Menschlichkeit und persönlichem Verständnis bessere Zahlen erwirtschaften, weil die Mitarbeiter lieber hingehen, weniger krank, dafür aber motivierter sind. Soll heißen: Weniger Fehltage, mehr Leistungsfähigkeit.

Torsten Schütz
torsten.schuetz@evoleo.de
Keine Kommentare

Einen Kommentar schreiben